„Ich höre zu, ohne zu urteilen“ – Sozialbegleiter Ewald über sein Engagement bei pro humanis

21.02.2025
Sozialhelfer Ewald Berger auf Wandertour in der Sonne. Mit Sonnenbrille, Hemd und Rucksack unterwegs in der Natur #Engagiert
Bildmaterial: Ewald Berger

Ewald Berger (55) engagiert sich seit 2015 als ehrenamtlicher Sozialbegleiter bei pro humanis. Hauptberuflich arbeitet er im Sicherheitsdienst der ÖBB am Grazer Hauptbahnhof. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen und die Bedeutung seines Engagements.

 

Du bist jetzt schon seit neun Jahren bei pro humanis als ehrenamtlicher Sozialbegleiter aktiv. Was hat dich damals dazu bewogen, dich in diesem Bereich zu engagieren?

Ewald Berger: Ich war und bin schon lange bei der Tafel Österreich aktiv, die Menschen in Armut mit Lebensmitteln versorgt. Eine Kollegin dort hat mich auf pro humanis aufmerksam gemacht und mir vorgeschlagen, mich auch hier einzubringen. Da ich immer schon gerne mit Menschen gearbeitet habe, war ich sofort interessiert.

Wie ist deine Einstellung gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen?

Ich wollte mit psychisch erkrankten Menschen arbeiten, weil sie oft niemanden haben, der sich mit ihnen beschäftigt. Viele werden allein gelassen. Ich finde es wichtig, ihnen zu zeigen, dass sie in unserer Gesellschaft gebraucht werden und ein wertvoller Teil davon sind. Viele haben das Gefühl, für nichts gut zu sein, doch das stimmt nicht. Dieses Gefühl will ich meinen Klient:innen vermitteln: „Du wirst gebraucht! Und du bist nicht allein mit deinen Problemen.“

"Man muss auch lernen, Schweigen auszuhalten."
Ewald Berger

Wie verläuft deine aktuelle Sozialbegleitung?

Meinen jetzigen Klienten betreue ich seit drei Jahren. Anfangs haben wir uns wöchentlich getroffen, inzwischen alle zwei Wochen. Das passt für uns besser. Wir treffen uns in der Stadt, reden über seine Erlebnisse und seinen Alltag. Es ist schön zu sehen, wie er langsam auftaut. Früher hatte er Angst, hinauszugehen. Jetzt hat er wieder mehr Energie und Lebensfreude. Er hat mir sogar gesagt, dass er mir dafür dankbar ist. Das ist ein sehr schönes Gefühl.

Was hast du durch deine Erfahrung als Sozialbegleiter gelernt?

Es ist wichtig, Grenzen zu ziehen und auch einmal Nein zu sagen. Manche Klient:innen erwarten Dinge, die über die Sozialbegleitung hinausgehen. Wir sind keine Haushaltshilfe und keine Psychotherapeut:innen – das muss von Anfang an klar sein. Manchmal sind auch klare Schlussstriche notwendig, und das ist in Ordnung. Man darf nie auf sich selbst und die eigenen Grenzen vergessen.

Was macht eine gute Sozialbegleitung aus?

Ehrlichkeit und aktives Zuhören sind für mich essenziell. Aber auch das Aushalten von Stille. Manchmal ebbt ein Gespräch ab, dann muss man das akzeptieren. Klient:innen sollen sich nicht gezwungen fühlen, Dinge zu erzählen oder zu tun, für die sie nicht bereit sind.

Ebenso wichtig ist echtes Interesse. Die Klient:innen sollten spüren, dass man ihnen vertraut und sie sich öffnen können. Dabei ist Verschwiegenheit entscheidend. In Zeiten von Social Media, wo vieles unüberlegt geteilt wird, ist ein Vertrauensbruch unverzeihlich.

Hat deine ehrenamtliche Tätigkeit Einfluss auf dein restliches Leben?

Ja, sehr. In meinem Beruf im Sicherheitsdienst begegne ich oft Menschen mit psychischen Problemen, die keine oder kaum Unterstützung haben. Durch pro humanis habe ich gelernt, niemanden zu verurteilen, sondern offener auf Menschen zuzugehen.

Auch privat wissen viele, dass ich Sozialbegleiter bin, und kommen auf mich zu, wenn es ihnen schlecht geht. Ich höre gerne zu.

Fühlst du dich im Verein gut aufgehoben?

Absolut. Falls ich einmal nicht weiterweiß, kann ich mich jederzeit an den Verein wenden. Die angebotenen Supervisionen sind sehr hilfreich, die Leitenden kompetent. Auch der Austausch mit anderen Ehrenamtlichen ist wichtig. Ich habe pro humanis bereits vielen Menschen weiterempfohlen.

Was würdest du den Menschen raten, die gerade in unserer Schulung sitzen, um Sozialbegleiter:innen zu werden?

Geht ohne große Erwartungen in die Begleitung. Nach der Schulung wird euch ein Klient oder eine Klientin zugeteilt. Im Erstgespräch könnt ihr euch gegenseitig kennenlernen – und auch Nein sagen, wenn es nicht passt.

Lasst eure Klient:innen spüren, dass ihr wirkliches Interesse habt. Vermeidet es, alles zu analysieren – geht einfach gemeinsam den Weg, wenn es sich für beide gut anfühlt.

Ewald im Videointerview (Instagram)

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