Österreichs Parteien im Freiwilligen-Check
Wahl 2024: So wollen Österreichs Parteien freiwilliges Engagement stärken
In einer lebhaften Online-Diskussionsrunde mit Vertreter:innen der bundesweit zur Wahl stehenden Parteien wurden zentrale Themen zur Förderung des freiwilligen Engagements in Österreich erörtert. Im Fokus standen ein bundesweit einheitlicher Versicherungsschutz für Freiwillige, der Abbau bürokratischer Hürden, die Integration von freiwilligem Engagement in den Lehrplan österreichischer Schulen und natürlich „das liebe Geld“.
Am 3. September 2024 stellten sich politische Entscheidungsträger:innen beim Online-Talk „Engagement.Connect: Politik trifft Ehrenamt“ den Fragen von Vertreter:innen zahlreicher Freiwilligenorganisationen und -initiativen. Die Veranstaltung bot mitten im Intensivwahlkampf, neben den Vorhaben der Parteien in einer möglichen nächsten Regierung, eine Plattform für die Anliegen und Wünsche der Freiwilligen und Freiwilligenorganisationen aus ganz Österreich.
Ziel der Veranstaltung war es, die Zusammenarbeit zwischen Politik und Freiwilligensektor zu vertiefen und damit eine stärkere Unterstützung für Freiwillige und Freiwilligenorganisationen zu erreichen. Mit dabei waren Andreas Hanger (ÖVP), Elisabeth Feichtinger (SPÖ), Ulrike Schwarz (Grüne), Yannick Shetty (NEOS), Christina Pree (KPÖ) und Evelin Schwaiger (Wandel). Der Online-Talk bot Raum für direkte Fragen und Feedback an die Politik. Organisiert wurde die Veranstaltung von freiwillig-engagiert.at, der österreichweiten Service- und Kompetenzstelle für freiwilliges Engagement.
Fraktionsübergreifende Zusammenarbeit
Zu Beginn der Veranstaltung betonten die Vertreter:innen der im Parlament vertretenen Parteien SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS die erfolgreiche fraktionsübergreifende Zusammenarbeit bei der Novellierung des Freiwilligengesetzes.
Nationalratsabgeordnete Elisabeth Feichtinger (SPÖ) hob die Novellierung als ihr persönliches Highlight der zu Ende gehenden Legislaturperiode hervor. Ulrike Schwarz (Grüne) sagte, in den letzten fünf Jahren sei "einiges gelungen, um das freiwillige Engagement aufzuwerten, gerade was das höhere Taschengeld oder mehr Mittel für Förderungen angehe". Nun brauche es "viele Schritte, um dieses Engagement abzusichern und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen."
Auch Yannick Shetty (NEOS) lobte die Verbesserungen im Freiwilligenbereich, die man „als NEOS ausdrücklich mitgetragen habe“ – dennoch sei noch vieles zu tun. Shetty sprach etwa bürokratische Hürden an: „Da geht es nicht nur um Förderanträge oder Behördenvorgaben. Ich glaube, wir sollten mit einem Blick auf das nächste Koalitionsübereinkommen schauen, wo man freiwilliges Engagement so ermöglichen kann, dass Staat und Behörden den Freiwilligen keine zusätzlichen Herausforderungen bescheren.“
ÖVP-Freiwilligensprecher Nationalratsabgeordneter Andreas Hanger (ÖVP) möchte sich für den Ausbau von Freiwilligenzentren in allen neun Bundesländern einsetzen. Hierzu sei eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern essenziell. Zudem wünscht sich Hanger die Schaffung einer Stiftung für Freiwilligenarbeit nach deutschem Vorbild. Außerdem strebt er eine klare Zuordnung der Freiwilligkeit und des Ehrenamts im Bundesministerien-Gesetz an. Die Sichtbarkeit und den Austausch im Freiwilligenbereich, soll mit einem „jährlichen Gemeinnützigkeits- und Freiwilligengipfel der Bundesregierung“, ergänzt durch ein „jährliches Zivilgesellschaftsforum im parlamentarischen Dialog“ gestärkt werden.
Bundesweiter Versicherungsschutz für Freiwillige
Einem bundesweit einheitlicher Versicherungsschutz standen in der Diskussion alle Parteien grundsätzlich positiv gegenüber. „Freiwillig Engagierte sollten die Sicherheit haben, dass sie im Ernstfall keine Probleme bekommen“, so Feichtinger (SPÖ). Eine bundesweite Versicherungslösung für Freiwillige, solle auch jene Menschen mitberücksichtigen, die sich informell, also außerhalb von Vereinsstrukturen, freiwillig engagieren.
Yannick Shetty (NEOS) stellte in Frage, ob ein umfassender staatlicher Versicherungsschutz finanzierbar sei, und betonte die Notwendigkeit einer Gegenfinanzierung. Christina Pree (KPÖ) bezeichnete einen bundesweiten Versicherungsschutz als "längst überfällig" und argumentierte, dass die individuelle Aushandlung von Versicherungslösungen eine Mühsal für die Organisationen sei und daher auf der politischen Agenda nach der Wahl ganz oben stehen müsse.
Evelin Schwaiger (Wandel) kritisierte die aktuelle Situation scharf und bezeichnete den fehlenden Versicherungsschutz für jene Freiwillige, die oftmals staatliche Aufgaben übernehmen, als „klares Versagen der Politik“. Auch Schwarz (Grüne) betonte, in der kommenden Legislaturperiode beim Thema bundesweiter Versicherungsschutz „nicht locker lassen“ zu wollen.
Junges Engagement stärken
Auch der Idee, Service-Learning-Angebote, also freiwilliges Engagement im schulischen Bereich, zu verankern, standen gleich mehrere Parteivertreter:innen positiv gegenüber. Als Bildungspartei sei es NEOS ein Anliegen, das freiwillige Engagement „stärker in den Regelschulbetrieb zu integrieren und den Übergang von Bildungseinrichtungen zu freiwilligem Engagement zu fördern“, so Shetty. Hier könne Österreich "von Best-Practice-Beispielen aus anderen Ländern viel lernen".
„Das Ehrenamt macht Österreich aus und kann nur weiterleben, wenn es gepflegt wird. Wir müssen neue Wege finden, um es zu erhalten“, kann auch Feichtinger der Idee, Freiwilligenangebote in den Schulen zu verankern, einiges abgewinnen: „Je früher es Alltag wird, zur Gesellschaft beizutragen, desto selbstverständlicher“ werde das freiwillige Engagement.
Für die KPÖ ist eine Ausweitung der Anrechenbarkeit von freiwilligem Engagement an den Universitäten in ganz Österreich wünschenswert – ein Modell dass es etwa an Hochschulen in Oberösterreich und Tirol bereits gibt.
Evelin Schwaiger (Wandel) überraschte zusätzlich mit der Forderung nach einem „freiwilligen Fortschrittsdienst“ – einer Aufwertung des bisherigen Freiwilligen Sozialen Jahres. Am Ende eines freiwilligen Einsatzjahres sollen Jugendliche 30.000 Euro als Starthilfe ins Leben erhalten.
Anerkennung und Kompetenzförderung
Ein weiteres viel diskutiertes Thema der Veranstaltung war der Kompetenzerwerb. Schwarz (Grüne) und Schwaiger (Wandel) plädierten dafür, im Ehrenamt erworbene Fähigkeiten formell stärker anzuerkennen und damit auch die beruflichen Chancen junger engagierter Menschen zu verbessern. Ein Vorschlag, den auch Shetty (NEOS) unterstützt. Der NEOS-Nationalratsabgeordnete verwies unter anderem darauf, dass soziale Kompetenzen im Lehrplan der Medizinuniversitäten bislang zu kurz kämen.
Pensionsanrechnungen und Sonderurlaube
Weitere Forderungen aus der Politik: Feichtinger (SPÖ) setzt sich dafür ein, dass jahrelanges freiwilliges Engagement als Dienstzeiten für die Pension angerechnet werden soll. Auch Sonderurlaube und Dienstfreistellungen, etwa im Katastrophenfall, seien wünschenswert. Auch Pree (KPÖ) betonte die Wichtigkeit arbeitsrechtlicher Regelungen, um Freistellungen und Pensionsanrechnungen für Freiwillige zu ermöglichen.
Schwarz plädierte für neue Finanzierungsmodelle in Regionen und Gemeinden, die sich an Bedürfnissen und Wünschen der Bevölkerung vor Ort orientieren: „Die Herausforderungen im Gesundheits- und Sozialsystem sind nur lösbar, wenn wir das freiwillige Engagement ausbauen“, so Schwarz. Unterstützung dafür bekam sie bei der Veranstaltung von Seiten der KPÖ.
Hanger (ÖVP) sprach sich für eine Harmonisierung von Förderungen und Leistungsverträgen aus.
Schwaiger (Wandel) stellte die Forderung auf, dass Expert:innen aus NGOs bei Entscheidungen und Gesetzen künftig Parteienstellung erhalten – etwa in Klimaschutzfragen.
Statements des Freiwilligensektors
Auch die Vertreter:innen von Österreichs Freiwilligenorganisationen hatten klare Wünsche und Forderungen. Besonders häufig wurde der Wunsch nach einer sozialraumorientierten Budgetierung geäußert. Darüber hinaus forderten viele zusätzliche Mittel zur Finanzierung von Freiwilligenkoordinator:innen, um die professionelle Betreuung und Unterstützung der Freiwilligen zu verbessern. Ein weiteres zentrales Anliegen war die langfristige Absicherung von Projekten und Organisationen durch mittelfristige Förderverträge, die mehr Planungssicherheit bieten würden. Zudem betonten die Vertreter:innen, dass eine regelmäßige Valorisierung bzw. Inflationsanpassung der Fördermittel für viele Freiwilligenorganisationen von entscheidender Bedeutung ist, um die finanzielle Stabilität aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt wurde an die Politik appelliert, die vielen Facetten des freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements anzuerkennen und zu würdigen – und dabei nicht nur den Sport und die Blaulichtorganisationen in den Vordergrund zu stellen. Die Einführung des Staatspreises wurde von mehreren Vertreter:innen begrüßt. Gleichzeitig wurden jedoch spezifische Kategorien angeregt, um besondere Leistungen hervorzuheben, wie beispielsweise rein ehrenamtlich betriebene Angebote oder einzelne Einsatzbereiche, die in der bisherigen Diskussion oft weniger Aufmerksamkeit erhalten.
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