Die Kraft des Fußballs

17.12.2022
Vier Folder des Projekts "Life Goals" vom Verein Kicken ohne Grenzen
Bildmaterial: Karo Pernegger/Kicken ohne Grenzen
Kommerz, Korruption und Kumpanei – viel war rund um die Fußball-WM in den vergangenen Wochen von den Schattenseiten des internationalen Fußballs die Rede. Das der Fußball auch etwas bewirken kann, beweist der Wiener Verein "Kicken ohne Grenzen".
 

Wenn am Sonntag das französische oder das argentinische Männer-Fußball-Team den goldenen Pokal in den Nachthimmel von Lusail streckt, endet damit die wohl umstrittenste Fußball-WM der Geschichte. Viel war im Vorfeld die Rede von Korruption, Menschenrechtsverletzungen und katastrophalen Arbeitsbedingungen rund um die WM-Baustellen. Katar gelobte nach Kritik rund um das Turnier Besserungen. Nach Hymnen-Protest, verbotenen "One Love"-Armbinden und Regenbogen-Fahnen-Flitzern wurde es im Laufe des Turniers merklich ruhiger. Das Spektakel in den Stadien und die Strahlkraft der "wichtigsten Nebensache der Welt" stellte die politischen Kontroversen mühelos ins Abseits.

 

Der Fußball als Wunderwaffe gegen gesellschaftspolitische Probleme – so rechtfertigte FIFA-Präsident Gianni Infantino stets, warum das weltweit größte Sportereignis ausgerechnet in Katar über die Bühne gehe. Angesichts von Korruption, Kumpanei und Kommerz hat der Fußball-Weltverband seine Glaubwürdigkeit wohl längst verloren.

 

Es geht auch anders

"Der Fußball wird häufig als Allheilmittel für gesellschaftspolitische Probleme herangezogen", sagt Ingo Bergmann. Der Projektleiter und Sozialkompetenztrainer des Vereins "Kicken ohne Grenzen" zeigt, dass es auch anders gehen kann. Der Verein nutzt den Fußball dazu, um das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen zu stärken und um ihnen soziale Kompetenzen zu vermitteln. Aktivieren, stärken und begleiten – den Kindern über den Ballsport vermitteln, wieder an sich zu glauben. Darauf setzt "Kicken ohne Grenzen" bei seinen inklusiven Fußballtrainings in Schulen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf, direkt im "Käfig" im Grätzl oder auf dem Fußballplatz der Fußballvereine.

 

Dass bloße Fußballspielen oder allein eine Vereinsmitgliedschaft zu positiven Veränderungen auf individueller oder gesellschaftlicher Ebene verhelfen, glaubt Bergmann nicht – im Gegenteil: Rund die Hälfte der 18-Jährigen sagt angesichts von Leistungsdruck und Überforderung dem Vereinsfußball in Österreich Lebewohl. Und damit nicht genug: Der Leistungsdruck setzt sich in Schule und Beruf fort: "Jede:r zweite Jugendliche in Österreich hat Angst davor, in der Schule zu versagen oder Fehler zu machen", sagt Bergmann.

Die Fußballtrainings dienen als erste Andockstelle und Safe Space, in dem sich Jugendliche zugehörig und wertgeschätzt fühlen. Sie lernen in den Trainings nicht nur, Fußball zu spielen, sondern entdecken ihre Stärken und Potenziale.
Karina Lackner.
Geschäftsführerin Kicken ohne Grenzen

Beim gemeinsamen Training und der anschließenden Reflexion lernen die Kids fürs Leben. Vermittelt werden sollen gemeinsam Spaß an der Bewegung abseits von Erfolgszwang und Klassenzimmer: Der Fußballplatz als Spielfeld, um die Herausforderungen des Alltags zu üben und zu meistern. Passenderweise nennt sich das Konzept des Vereins auch "Life Goals – Soziales Lernen durch Fußball".

 

Life Goals startet in Linz

Bisher ist Kicken ohne Grenzen in Wien aktiv. Wie der Name des Vereins schon verrät, sind dem Projekt keine Grenzen gesetzt. 2023 startet das Programm Life Goals in Linz. Dabei werden Freiwillige dazu angeleitet, selbst im Grätzl aktiv zu werden. "Die Kinder haben seit der Teilnahme bei Life Goals ein längeres Durchhaltevermögen bei schwierigen Aufgaben. Schon allein das Verständnis, was diese Kompetenzen bedeuten, hat viel bewirkt", so die Lehrerin einer teilnehmenden Wiener Mittelschule.

 

Common Goal

Mit seinem Konzept fand Kicken ohne Grenzen Aufnahme in die Initiative Common Goal, die soziale Projekte rund um den Fußball weltweit unterstützt.  Die globale Organisation ist damit so etwas wie der Gegenentwurf zur FIFA. Ihr Ziel lautet: Mit dem Fußball als Vehikel die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen. Die Initiative hat prominente Unterstützer:innen. Jürgen Klopp, Megan Rapinoe, Mats Hummels oder Eintracht Frankfurt-Coach Oliver Glasner zählen dazu. Auch Sportartikelhersteller Adidas fördert die Initiative mit einem Prozent seiner jährlichen Einnahmen.

 

Mit dem Geld werden weltweit rund 170 gemeinnützige Organisationen unterstützt. So auch die Initiative Amandla in Südafrika, die Begegnungszentren für Heranwachsende aufbaut. Dort finden benachteiligte Jugendliche einen Safe-Space, wo sie Fußball spielen können und gefördert werden – der Fußball als Bildungsprogramm sozusagen. Bis 2030 sollen mehr als 100 der Safe-Hubs in Südafrika entstehen. Auch in Deutschland wird aktuell ein Standort gebaut.

 

Internationale freiwilligen Einsätze

Wer mit dem Ball am Fuß von Österreich aus die Welt verändern möchte, kann sich direkt an "Kicken ohne Grenzen" wenden. Internationale Freiwilligeneinsätze als Trainer:in, Turnier-Organisator:innen oder Schiedsrichter:in vermittelt in Österreich die Servicestelle Weltwegweiser, die der Verein Jugend eine Welt – Don Bosco Entwicklungszusammenarbeit, betreibt. "Freiwillige unterstützen oft in der Freizeitbetreuung. Da spielt Sport mit Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Neben der formalen Bildung werden hier wichtige Qualitäten wie Teamplay oder regelmäßiges Training vermittelt – und natürlich Spaß", sagt Sophia Stanger, Bereichsleitung Freiwilligeneinsätze bei Jugend eine Welt.  Für Kindern aus benachteiligten Verhältnissen sei der Sport oft ein „Einstiegspunkt“ in Projekte, wo sie dann auch weitere Unterstützung bekommen.

 

Fußball kann also abseits von Kommerz und Leistungsdruck etwas bewirken – abseits von etwas bewirken. Der Sport müsse dazu aber "einer Wirkungslogik unterliegen, mit Konzepten, Zielen, Indikatoren, Messinstrumenten und auch Evidenzen", sagt Bergmann. Das sei Grundvoraussetzung dafür, dass "Fußball auch das erreicht, was häufig versprochen wird."

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